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Propaganda im Reichspräsidentenwahlkampf 1925, Bundesarchiv Bild 146-1986-107-32A

Make Germany Great Again? Zur Hindenburg-Wahl 1925

Eine Präsidentschaftswahl mit schwerwiegenden Folgen: Vor 100 Jahren wählten die Deutschen Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten, nicht zuletzt aus Unzufriedenheit mit der Demokratie und Sehnsucht nach nationaler Größe. Theodor Heuss sprach von einem deutschen Unglück.

Themenfelder:
  • Demokratiegeschichte
  • On this Day
  • Schwerpunkt Rechtsaußen

Es war ein Votum gegen die liberal-demokratischen Werte der Weimarer Republik: Am 26. April 1925 wählten die Deutschen den 77-jährigen Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg im zweiten Wahlgang zum Reichspräsidenten. Seinen Wahlsieg führte die besorgte republikanische Presse auf eine romantische Sehnsucht der Deutschen nach der vergangenen Größe des Kaiserreichs zurück. Der populäre Heerführer des Ersten Weltkriegs entstammte der Welt des preußischen Militärs und ostelbischen Adels, die in ihm nun einen Bundesgenossen im Kampf gegen die parlamentarische Demokratie sah. Hier bahnte sich bereits, so der Historiker Heinrich August Winkler, „eine konservative Umgründung der Republik“ an. Das liberale Berliner Tageblatt empfand einen Tag nach der Wahl „Scham über die politische Unreife so vieler Millionen“. Und der junge Reichstagsabgeordnete Theodor Heuss beklagte sich gegenüber seiner Frau, „dass die Deutschen keine Dummheit unterlassen, die zu machen das Schicksal ihnen anbietet.“ Das waren harte Worte gegenüber seinen Landsleuten. Was aber hatte Heuss gegen diese „Dummheit“ unternommen?

Nachfolger für Ebert gesucht

Ende Februar 1925 war der erste Reichspräsident Friedrich Ebert gestorben. Ebert, ein republiktreuer Sozialdemokrat, hatte die Demokratie von Weimar durch die Existenzkrisen der ersten Jahre gesteuert. Nun stand die erste Direktwahl des Staatsoberhauptes durch die Bürgerinnen und Bürger an, wie es in der Reichsverfassung vorgesehen war. Die Partei von Heuss, die linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP), hatte dafür den badischen Staatspräsidenten Willy Hellpach aufgestellt, Sozialdemokraten und Zentrumspartei je eigene Bewerber. Doch im ersten Wahlgang Ende März erreichte keiner der aussichtsreicheren Kandidaten die erforderliche absolute Mehrheit, Hellpach gar nur 5,8 Prozent. Für den zweiten Wahlgang reichte die relative Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Um den Kandidaten aus dem rechten Lager schlagen zu können, einigten sich die republikanischen Parteien SPD, DDP und Zentrum auf den ehemaligen Reichskanzler und Vorsitzenden der katholischen Zentrumspartei Wilhelm Marx. Die politische Rechte bewegte daraufhin Paul von Hindenburg zur Kandidatur. Dieser hatte im ersten Wahlgang noch nicht kandidiert, warf aber nun seinen Hut in den Ring. Der überzeugte Monarchist erhoffte sich davon, die nationale Einigung unter konservativen Vorzeichen zu vollenden.

Eine Wahl Hindenburgs war für Heuss ein fatales Signal für das Land.

„Ein deutsches Unglück“

Als Anhänger der Republik schmiss sich Theodor Heuss in den Wahlkampf und setzte sich als Redner im ganzen Land für den Kandidaten der Mitte, Wilhelm Marx, ein. Von Begeisterung für Marx konnte aber keine Rede sein. In einem Artikel mit dem Titel „Hindenburg oder Marx?“, den er einen Tag vor der Wahl im Stuttgarter Neuen Tagblatt veröffentlichte, erwähnte er den katholischen Zentrumsmann kaum: Marx blieb ihm innerlich vermutlich fremd. Vielmehr setzte er sich vor allem mit dem Amt des Reichspräsidenten als „Gegengewicht zur Alleinherrschaft des Parlaments“ und mit der Person des greisen Generalfeldmarschalls auseinander. Hatte er noch im Ersten Weltkrieg den Heerführer nach Kräften verklärt, so versagte er ihm auch 1925 nicht den Respekt: „Wir ehren den Marschall als große deutsche Persönlichkeit“. Dem aber fügte Heuss eine Warnung hinzu: „wir würden gegen das Gebot innerer Wahrhaftigkeit verstoßen, wollten wir nicht sagen, daß wir seine Wahl für ein deutsches Unglück halten müßten.“ Hindenburg sei ein Vertreter des alten Kaiserreichs, „einer Zeit, die ins Grab ging“. Die neue demokratische Republik brauche ein Staatsoberhaupt, das die neuen Herausforderungen der liberalen Demokratie annehme und innerlich auf dem Boden der Verfassung stehe. Eine Wahl Hindenburgs war für Heuss ein fatales Signal für das Land, ein „Eingeständnis des deutschen Volkes, daß es zu seiner eigenen Zukunft mutlos ist.“ Für die kommende Zeit könne allenfalls der Kandidat Marx stehen, so Heuss‘ Appell am Ende seines Artikels.

Es sollte anders kommen: Marx unterlag Hindenburg mit gut 900.000 Stimmen. Zählt man die Stimmen für Hindenburg mit denen für den kommunistischen Kandidaten Ernst Thälmann zusammen, so hatte mehr als die Hälfte des Wahlvolkes distanziert bis ablehnend gegenüber der Demokratie von Weimar abgestimmt. Doch nachdem Hindenburg vor der schwarz-rot-goldenen Standarte den Eid auf die Weimarer Verfassung abgegeben hatte, beruhigten sich die Gemüter. Auch Heuss räumte kurz darauf ein, dass sich der eingefleischte Monarchist „unter die Legitimität der demokratischen Republik begeben hat.“ Und tatsächlich: Hindenburg versprach, die republikanische Verfassung zu respektieren und hielt sich in den nächsten Jahren formal an ihre Bestimmungen. Gerade weil er als ein Vertreter der alten monarchischen Ordnung galt, fanden sich zunächst auch Kreise mit der Republik ab, die ihr eigentlich ablehnend gegenüberstanden.

Hindenburg fand kein inneres Verhältnis zur Republik und entmachtete den Reichstag zunehmend.

Hindenburg oder Hitler?

Sieben Jahre später standen die nächsten Reichstagswahlen an. Die Demokratie von Weimar war inzwischen von tiefen Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit und dem Vormarsch der Nationalsozialisten erschüttert. Nun, 1932, hieß die Alternative „Hindenburg oder Hitler“ – und Heuss stand nun im Lager des monarchistischen Amtsinhabers. Anders als sieben Jahre zuvor setzte sich Heuss mit aller Kraft für die Wahl eines Mannes ein, der kein inneres Verhältnis zur Republik fand, Präsidialkabinette einsetzte und den Reichstag zunehmend entmachtete. Um Hitler zu verhindern, ging Heuss so weit, Hindenburg in die Tradition Friedrich Eberts zu stellen, weil er die „überparteiliche verfassungspolitische Aufgabe des Amtes verfestigt“ habe. Heuss verneigte sich in einem Zeitungsartikel kurz vor dem ersten Wahlgang Mitte März vor dem kaisertreuen General: Er habe „dem Amt das Gewicht seiner innerlich freien Persönlichkeit geliehen und die zu sich gezwungen, die ihm unsicher gegenüber standen.“

Tatsächlich gelang es, Hindenburg noch einmal zum Reichspräsidenten zu wählen und Hitler von diesem Amt fern zu halten. Doch keine zehn Monate später wurde der Mann, in dem Heuss den Garanten für eine stabile Weimarer Ordnung sah, zum Totengräber der Republik: Am 30. Januar 1933 ernannte Paul von Hindenburg den „Führer“ der nationalsozialistischen Partei zum Reichskanzler. Damit begann die brutalste Diktatur, die Deutschland je erlebt hatte. An ihrem Ende standen die fast vollständige Auslöschung des europäischen Judentums und der nationalsozialistische Vernichtungskrieg. Dies konnte freilich am 26. April 1925 kaum jemand voraussehen, als die Deutschen mit der Wahl Hindenburgs die falsche politische Weiche gestellt hatten.

Ernst Wolfgang Becker ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und stellvertretender Geschäftsführer der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus. Er leitet das Theodor-Heuss-Archiv und hat unter anderem eine Biografie von Theodor Heuss verfasst.

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