- 28. Mai 2025
- zurück
- 100 Köpfe der Demokratie
- 3einhalb Fragen
- Elly Heuss-Knapp
- Theodor Heuss
Ernst Wolfgang Becker, die Ausstellung „Demokratie als Lebensform. Theodor Heuss und Elly Heuss-Knapp“ bietet den Besucherinnen und Besuchern eine Vielzahl an interaktiven Medienstationen. Warum brauchen wir noch eine weitere?
Ernst Wolfgang Becker: Der Grund ist einfach: In der Ausstellung begegnen uns immer wieder Personen, die für das Leben und Überleben der beiden Protagonisten von unschätzbarer Bedeutung waren: Menschen wie der Arzt und Forscher Albert Schweitzer, die Sozialreformerin Alice Salomon oder der Sohn Ernst Ludwig Heuss und noch viele andere. Wer mehr über sie und ihre Verbindungen zum Ehepaar Heuss erfahren will, kann sich in der Medienstation in die familiären Zusammenhänge und in das weit verzweigte Freundschaftsgeflecht des Ehepaars Heuss vertiefen – es werden mehr als 70 Biografien präsentiert. Sie geben Einblick in linksliberale Netzwerke, aber auch in andere ungewöhnliche Freundschaften und Verbindungen.
Theodor Heuss und Elly Heuss-Knapp kamen beide aus bürgerlichen Elternhäusern. Warum waren die Familien für sie so wichtig?
Ernst Wolfgang Becker: Sie waren für beide sehr prägend, vor allem die Väter. Theodor Heuss hat später immer wieder betont, dass er seinem strengen, manchmal jähzornigen Vater den Zugang zu den Bildungsgütern seiner Zeit und die Aufgeschlossenheit zum Linksliberalismus verdankte. Elly Heuss-Knapp war wegen der Krankheit ihrer Mutter ganz ein Vaterkind. Der war Professor in Straßburg und vermittelte seiner Tochter zahlreiche Kontakte zu bedeutenden Persönlichkeiten. Im Laufe ihres weiteren Lebens halfen Familienmitglieder den beiden, wenn sie in kritische Situationen gerieten: Ein Vetter verschaffte Elly Heuss-Knapp nach dem Verlust aller Einkommensquellen 1933 die ersten große Werbeaufträge, mit denen die Familie finanziell durch die nächsten Jahre kam; ihre Schwester bot dem Ehepaar Heuss 1943 Unterschlupf in ihrer Heidelberger Wohnung. Theodor Heuss‘ Sohn wiederum warnte zu dieser Zeit seinen Vater, nach Berlin zurückzukehren. Er hatte Hinweise von einem Freund bekommen, dass Theodor Heuss dort die Verhaftung drohe.
Was ist das Besondere an dem Freundeskreis des Ehepaars Heuss? Und wie kann es sich der Nutzer erschließen?
Ernst Wolfgang Becker: Theodor Heuss schrieb 1955 einer engen Freundin, dass er „ein besonderes Talent für Freundschaft“ habe; dies gilt auch für seine Frau. Freunde und Freundinnen begleiteten das Ehepaar oft über Jahrzehnte hinweg, ihre Freundeskreise überschnitten sich an vielen Punkten. Sie stammen politisch häufig aus dem Umfeld von Friedrich Naumann oder aus dem Linksliberalismus. Manche entfernten sich davon aber auch stark, zum Beispiel Wilhelm Stapel, der in der Weimarer Republik rechtsextreme und antisemitische Positionen vertritt. Sozial ist die Freundesgruppe recht gleichförmig. Die meisten gehören dem gebildeten Bürgertum an. Bemerkenswert ist aber die Vielfalt der Berufe. Theodor Heuss und Elly Heuss-Knapp waren beide auf sehr vielen Feldern aktiv und schlossen dort überall Freundschaften: in Politik und Wirtschaft, Wissenschaft und Journalismus, Kunst und Literatur, Wohlfahrt und Bildung sowie in der Theologie, für die sich vor allem Elly Heuss-Knapp interessierte. Über diese Bereiche findet der Benutzer einen Zugang zu dem großen Freundeskreis in der Medienstation.
Johanna, Du bist viel zu jung, um noch eine Person aus dem Freundschaftsgeflecht gekannt zu haben. Gibt es jemanden, dem Du dennoch gerne begegnet wärst?
Johanna Liebhäuser: Klar, zum Beispiel recht klassischen Promis wie Max Weber, Hermann Hesse oder Konrad Adenauer, die man einfach mal im echten Leben gerne getroffen hätte. Für ein längeres Gespräch würde mich aber eher jemand wie Helene Schweitzer reizen: Weltreisende, Lehrerin, Krankenschwester, Fundraiserin … bei so einem reichhaltigen Leben könnte ich bestimmt so einiges mitnehmen.
Ernst Wolfgang Becker
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und stellvertretender Geschäftsführer der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus. Er leitet das Theodor-Heuss-Archiv und hat u.a. eine Biografie von Theodor Heuss publiziert. Er ist Mitkurator der Ausstellung “Demokratie als Lebensform. Theodor Heuss und Elly Heuss-Knapp”.
Johanna Liebhäuser
ist wissenschaftliche Hilfskraft der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus und führt regelmäßig durch die Ausstellungen im Theodor-Heuss-Haus. Sie studiert Deutsch, Geschichte und Philosophie an der Universität Stuttgart.